Das Gebots zur Gleichbehandlung (vgl. Art. 2 Grundgesetz) verpflichtet den Staat, dafür Sorge zu tragen, dass es ärmeren Bürgern ebenso wie den betuchteren Mitmenschen erlaubt sein muss, sich rechtlichen Rat einzuholen, und eventuell, sofern notwendig, auch größere Prozesse führen zu können. In Deutschland
wird diese Gleichbehandlung dadurch gewährleistet, dass außergerichtlich Beratungshilfe (nach dem Beratungshilfegesetz), und vor Gericht Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO) gewährt wird. Das gilt für Zivilprozesse, aber auch z.B. bei Arbeitsprozessen. Im Strafrecht wird dem Angeklagten nur bei schwereren Delikten ein Pflichtverteidiger beigeordnet, dessen Kosten die Staatskasse trägt (sog. notwendige Verteidigung, § 140 Strafprozessordnung). Beim Amtsgericht vor Ort werden den Rechtssuchenden durch Rechtspfleger sogenannte Beratungshilfescheine ausgestellt. Mit solch einem Beratungshilfeschein kann dann der rechtliche Rat bei einem beliebigen Rechtsanwalt eingeholt werden. Der Rechtsanwalt kann in solch einem Fall von seinem Mandanten allenfalls zehn Euro verlangen, und bekommt vom Staat seine Kosten nach einer besonderen, bescheidenen Gebührentabelle erstattet. Durch einen Antrag auf Prozesskostenhilfe kann im Prozess erreicht werden, dass der Staat die Gerichtskosten vorstreckt (die z.B. eigentlich z.B. als Gerichtskostenvorschuss zur Zustellung einer Klage notwendig sind) und auch die Kosten des eigenen Rechtsanwalts übernimmt, der dann nach einer - ebenfalls bescheidenen - Gebührentabelle von der Staatskasse bezahlt wird.
Die Bedürftigkeit wird durch eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachgewiesen. Dieses Formular muss akribisch genau ausgefüllt werden, einschliesslich sämtlicher Anlagen, da es schließlich um Staatsgelder geht. Sozialhilfeempfänger / Hartz IV Bezieher haben es dabei etwas einfacher, sie müssen nur eine Kopie des letzten Bescheides beilegen, und ein Grossteil des Formulars fällt dann weg. Das Gericht muss dann in einer getrennten Entscheidung einerseits die Erfolgsaussichten der eingereichten Klage (oder der Verteidigung dagegen) bewerten, und andererseits die Bedürftigkeit. Je nach finanzieller Situation kann es auch sein, dass zwar Prozesskostenhilfe bewilligt wird, dem Bedürftigen aber zugleich Ratenzahlungen auferlegt werden. Eine datenschutzrechtlich nicht ganz unbedenkliche Praxis der Gerichte besteht darin, dass die Richter häufig die Anträge nebst Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einfach so erst einmal an die Gegenseite des Prozesses zur Stellungnahme zuschicken. Dadurch werden der Gegenseite hochsensible private und vertrauliche Daten zugespielt, die diese eigentlich nicht unbedingt bekommen sollte.
Leider verzögern die Gerichte die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gerade im Ablehnungsfall häufig bis zur Endentscheidung hinaus, so dass der Bedürftigen keine Chance mehr hat, bei Ablehnung der Bewilligung irgendwelche Konsequenzen zu ziehen. Bei schwierigen und aufwendigen Prozessen wird dadurch den Rechtsanwälten das Kostenrisiko des Prozesses zugeschoben. Geschickte Anwälte reichen darum erst einmal zusammen mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe Entwürfe Ihrer Schriftsätze ein. Nach § 204 Ziff. 14 BGB kann auch Verjährungshemmung durch die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe erreicht werden. Nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe werden dann die endgültigen Schriftsätze eingereicht und es wird Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gestellt. Der Vorteil dabei ist, dass man dadurch eine rechtlicher Vorbewertung des Falles durch den Richter selbst bekommt, die es auch erlaubt, den Fall entsprechend weiter zu führen. Bei Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten durch den Richter hat der Bedürftige noch eine Chance, von einer (möglicherweise für ihn ruinösen) Klage abzusehen. Die richterliche Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann dann kostengünstig getrennt angefochten werden, notfalls bis hin zum Bundesverfassungsgericht. Es ist auch anzumerken, dass dann, wenn der Prozess verloren wird, der Bedürftige trotz Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Dieses Prozessrisiko wird dem Bedürftigen nicht abgenommen.
Gastbeitrag: Andreas Fischer, Baden-Baden